Natürliche Balance statt Standardtherapie
Über Jahrzehnte hinweg wurden Patientinnen in Europa mit sogenannten konjugierten equinen Östrogenen (CEE) behandelt – einer Hormonmischung, die aus dem Urin trächtiger Stuten gewonnen wird. Und in den USA ist diese Form der Hormontherapie bis heute verbreitet. Die enthaltenen Hormone sind weder chemisch noch biologisch identisch mit denen des menschlichen Körpers – dennoch galten sie lange als Standard in der Behandlung von Wechseljahresbeschwerden.
Doch das Bewusstsein für natürlichere und besser verträgliche Alternativen wächst. Immer mehr Frauen suchen nach sanfteren, körpernahen Lösungen – und hier kommen die bioidentischen Hormone ins Spiel.
Was sind bioidentische Hormone?
Bioidentische Hormone sind Substanzen, die chemisch und strukturell identisch mit den Hormonen sind, die der menschliche Körper selbst produziert – insbesondere 17β-Estradiol und Progesteron.
Im Gegensatz zu pflanzlichen oder tierischen Hormonen, die ebenfalls als “natürlich” bezeichnet werden, verwendet die bioidentische Hormontherapie (MHT) ausschließlich hormonidentische Wirkstoffe in pharmazeutischer Qualität. Anstelle von synthetischen Hormonderivaten kommen reines Estradiol und mikronisiertes Progesteron zum Einsatz – exakt dosierbar, chemisch definiert und identisch mit dem menschlichen Hormonprofil.
Warum bioidentische Hormone?
Nach der Veröffentlichung der Women’s Health Initiative (WHI) im Jahr 2002 wurde deutlich, dass bestimmte synthetische Hormone mit einem erhöhten Risiko für Thrombosen, Schlaganfälle und Brustkrebs assoziiert sein können [2]. In der Folge brach das Vertrauen vieler Ärzt:innen und Patientinnen in die Hormonersatztherapie ein. Heute jedoch stehen bioidentische Hormone als moderne, risikoarme Alternative zur Verfügung [3].
Bijuva®: Das erste und einzige kombinierte bioidentische Präparat
Ein bedeutender Fortschritt war die Zulassung von Bijuva® im Jahr 2021: Es handelt sich um das erste und bislang einzige oral verfügbare Präparat, das bioidentisches Estradiol und mikronisiertes Progesteron in einer einzigen Weichkapsel kombiniert – geprüft und zugelassen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Damit wurde erstmals eine standardisierte, behördlich geprüfte Möglichkeit geschaffen, die beiden wichtigsten Hormone der menopausalen Substitutionstherapie in humanphysiologischer Form gemeinsam und komfortabel einzunehmen. Für viele Patientinnen bedeutet das eine einfachere Anwendung, für Ärzt:innen eine höhere Therapiesicherheit und für die wissenschaftliche Diskussion einen Meilenstein hin zur Etablierung bioidentischer Therapieformen im konventionellen Behandlungsspektrum.
Transdermal, individuell dosiert und qualtitätsgesichert
In meiner Praxis setze ich bewusst auf transdermale Anwendungen (z. B. Cremes oder Gele) statt oraler Formen. Diese umgehen die Leber (First-Pass-Effekt), reduzieren systemische Belastungen und ermöglichen eine flexible, feinjustierbare Dosierung.
Besonderer Wert liegt auf:
- humanidentischen Wirkstoffen in definierter chemischer Reinheit
- individueller Dosierung nach Beschwerdebild, Laborkontrollen und ggf. Speichelanalysen
- Zusammenarbeit mit einer spezialisierten Apotheke mit höchster Qualitätskontrolle
Denn nur erfahrene Apotheken mit validierten Herstellungsverfahren können sicherstellen, dass individuell hergestellte Präparate den pharmazeutischen Anforderungen gerecht werden [2].
Weniger ist mehr: Die niedrigste wirksame Dosis
Das Ziel der Therapie ist die niedrigste noch wirksame Dosierung, um klimakterische Beschwerden effektiv zu lindern, ohne unnötige Belastung für Leber, Gefäße oder Brustgewebe zu verursachen [6–12]. Transdermale Präparate mit 0,025–0,050 mg Estradiol täglich reichen aus, um frühfollikuläre Estradiolspiegel zu erreichen – vergleichbar mit jenen gesunder, junger Frauen. Höhere Dosen sind in der Regel nicht erforderlich und potenziell risikobehaftet.
Die einzig sinnvolle Strategie ist daher eine individuell angepasste Hormontherapie – statt einer Standard-Pille für alle.
Vorteile bioidentischer Hormone gegenüber konventioneller MHT
Aktuelle Reviews zeigen, dass eine bioidentische, transdermale MHT gegenüber der konventionellen, oralen Therapie mit synthetischen Hormonen klare Vorteile bietet [1–5,13–15]:
- Deutlich geringeres Risiko für thrombovaskuläre Ereignisse
- Weniger Gallenblasenprobleme
- Kein erhöhtes Brustkrebsrisiko bei niedriger transdermaler Dosierung
Fachgesellschaften empfehlen besonders bei Risikopatientinnen (z. B. mit Adipositas, Hypertonie, Diabetes, Nikotinkonsum) explizit transdermales Estradiol und mikronisiertes Progesteron [1,3,5,14].
Zudem unterscheiden sich bioidentische von konventionellen Hormonen auch in ihrer therapeutischen Zielsetzung:
- Bei klassischer menopausaler Substitutionstherapie ist das natürliche Wirkprofil bioidentischer Hormone besonders geeignet.
- Bei spezifisch gynäkologischen Indikationen können synthetische Gestagene aufgrund ihrer Partialwirkungen weiterhin sinnvoll sein.
Fazit: Hormone in Balance – individuell, sicher und wissenschaftlich fundiert
Bioidentische Hormone sind eine moderne, wissenschaftlich gestützte Therapieoption bei Wechseljahresbeschwerden. Ihr Einsatz erfolgt individuell dosiert, qualitätsgesichert und mit dem Ziel, natürliche Hormonverhältnisse risikominimierend wiederherzustellen. In meiner Praxis begleiten wir Sie dabei mit präziser Diagnostik und einer Hormontherapie, die auf Sie zugeschnitten ist.
Literatur:
- Mueck AO (2015) Anwendungsempfehlungen zur Hormonsubstitution in Klimakterium und Postmenopause. Frauenarzt 56:657–660
- Römmler A (2015) Endokrinologische Aspekte der Anti-Aging Medizin (CME Fortbildung). Gynäkol Geburtsmed Gynäkol Endokrinol 11:208–226
- L’Hermite M (2013) HRT optimization, using transdermal estradiol plus micronized progesterone, a safer HRT. Climacteric 16(Suppl 1):44–53
- Römmler A (2011) Hormonersatztherapie mit bioidentischen Hormonen. Modetrend oder neuer Erkenntnisstand? Gynäkol Geburtshilfe 4:14–16
- Simon JA (2012) What’s new in hormone replacement therapy: focus on transdermal estradiol and micronized progesterone. Climacteric 15(Suppl 1):3–10
- Brennan JJ, Lu Z, Whitman M et al (2001) Ther Drug Monit 23:134–138
- Burry KA, Patton PE, Hermsmeyer K (1999) Am J Obstet Gynecol 180:1504–1511
- Scott RT Jr, Ross B, Anderson C et al (1991) Obstet Gynecol 77:758–764
- Setnikar I, Rovati LC, Vens-Cappell B et al (1996) Arzneimittelforschung 46:766773
- Setnikar I, Rovati LC, Vens-Cappell B et al (1998) Arzneimittelforschung 48:275–285
- Setnikar I, Rovati LC, Santoro A et al (1999) Arzneimittelforschung 49:708–715
- Simon JA, Bouchard C, Waldbaum A et al (2007) Obstet Gynecol 109:588–596
- Panay N (2014) Post Reprod Health 20:69–72
- De Villiers TJ, Pines A, Panay N et al (2013) Climacteric 16:316–337
- Stephenson K, Neuenschwander PF, Kurdowska AK (2013) Int J Pharm Compd 17:74–85